Wickel und Auflagen - die etwas vergessen gegangenen Helferlein
- Renana Maurer-Beyeler

- 27. Nov.
- 5 Min. Lesezeit

Wir alle kennen es: Plötzlich zwickt es im Kreuz oder kratzt im Hals, der Bauch schmerzt aus was für Gründen auch immer oder der Kopf tut weh. Die Ursachen für diese Beschwerden sind so zahlreich, wie die Leiden selber.
In den wenigsten Fällen sind Medikamente oder gar ein Arztbesuch notwendig, meistens sind diese Symptome völlig harmlos und ein Zeichen, dass wir wieder mal über die Stränge geschlagen und etwas zuwenig zu uns geschaut haben. Dennoch ist es lästig und natürlich wollen wir die Symptome rasch weg haben oder zumindest ein Fortschreiten verhindern. Doch was kann überhaupt gemacht werden? Medikamente einnehmen? Ist eine Möglichkeit, allerdings empfehle ich damit etwas zu warten, denn es gibt eine Vielzahl an Methoden, mit denen die Symptome nicht verdrängt werden, sondern unser Körper unterstützt wird in der Selbstregulierung. Hand aufs Herz: Unwohlsein entsteht meistens dann, wenn wir unseren Alltag über unsere Grenzen hinaus gestalten oder halt einfach mal eine so lange To-do-Liste abarbeiten müssen, dass die Pausen und Ruhezeit etwas zu kurz kommen. Gerade dann, wenn wir es am wenigsten brauchen, erwischt uns die Erkältung oder der Hexenschuss oder die Migräne oder..........
Ein so einfaches wie altbewährtes Hausmittel gegen alle möglichen Bobolis und Wehwehchen sind die guten alten Wickel und Auflagen (Kompressen). Zwiebelwickel, Kartoffelwickel, Quarkwickel, wer hat nicht schon zumindest mal davon gehört. Und auch dann, wenn weder Zwiebeln noch Kartoffeln noch Quark zur Hand sind, können Wickel selber gemacht und angewendet werden, notfalls "nur" mit warmem oder kaltem Wasser.
Hier zeige ich euch einfache Rezepte und eine Anleitung dazu. Es braucht nur warmes oder kaltes Wasser oder Tee, Wirkstoff in Form von Öl, Salbe, Crème, Paste,... und ein paar Tücher.
Bei der Körpervorderseite, den Armen und Beinen können die Wickel und Kompressen ohne fremde Hilfe angebracht werden. Bei Armen und Beinen können Strümpfe oder Stulpen als Befestigung hilfreich sein.

Benötigt werden nur Tücher, ein Wirkstoff in Form von Öl, Tee, Tinktur, Paste, und warmes oder kaltes Wasser... und eine Wärmeflasche für die warmen bis heissen Wickel und Kompressen.

Das Wirkungstuch wird entweder mit dem erwärmten oder gekühlten Wirkstoff oder mit Wasser getränkt und ausgewrungen. Wird eine Ingwer- oder Merrettich- oder sonstige Paste oder ein Öl, Creme, Salbe, etc. verwendet, wird diese direkt auf die Haut aufgetragen und das feuchte Tuch darüber gelegt.

Über das Wirkungstuch kommt ein grösseres Baumwolltuch, das eng um den Körper gewickelt wird. Das dient zum Schutz, dass der Wirkstoff an Ort und Stelle bleibt und der Wärme- oder Kühleffekt besser entstehen kann.

Bei warmen und heissen Wickel und Kompressen kann eine Wärmeflasche auf das Schutztuch gelegt werden.
Achtung, die Wärmeflasche sollte nicht direkt mit der Haut in Kontakt kommen, da es sonst zu lokalen Verbrennungen kommen kann.

Zur "Isolation" wird ein grösseres Baumwolltuch eng um den behandelten Körperteil gewickelt. Es sollte alles so dicht sein, dass keine Luft mehr hindurch kommt. So kann der Wärme- / Kühleffekt am besten entstehen und die Wirkstoffe können tief ins Gewebe eindringen, wo sie ihre Wirkung entfalten.
Fertig gewickelt, bei Wärmeanwendung mind. 20 Minuten, besser noch länger liegen bleiben. Bereite vorgängig eine bequeme Unterlage vor: Entweder im Bett oder auf dem Sofa. Ich empfehle ein Badetuch zum drauf liegen, so sind Matratze und Sofa geschützt. Korrekt angewendet, läuft und fliesst jedoch nichts, Wickel und Kompressen sind eine saubere Sache!
Die Wirkungszeit wäre ein idealer Zeitpunkt um eine Meditation zu machen oder sonst die Zeit zu nutzen um zur Ruhe zu kommen.
Bei Kälteanwendungen den Wickel / die Kompresse so lange auf dem Körper lassen, bis er beginnt sich zu erwärmen. Das Wirkungstuch entfernen, neu kühlen und wieder auflegen und diesen Vorgang vier bis fünf Mal wiederholen.
Wickel können kalt, warm und heiss angewendet werden mit folgenden Wassertemperaturen:
Wärme und Hitze: 36° bis 41°C
Kälte: 18° bis ca. 25°C (ausser bei Fieber, da ist das Wasser mind. 33°C warm!)
Warme und heisse Wickel und Kompressen können 20 Minuten und länger auf dem Körper belassen werden, während die kalten Anwendungen nur wenige Minuten auf dem Körper bleiben, maximal solange, bis sich die Tücher erwärmen.
Soll der Körper abgekühlt werden, kann es sein, dass das Wirkstofftuch mehrfach entfernt, neu gekühlt und wieder aufgelegt werden muss, damit sich die behandelte Körperstelle nicht erwärmt.
Warme bis heisse Wickel und Kompressen gegen Erkältungen (Husten, Halsschmerzen, Schnupfen):
Die Wickel / Kompressen werden auf die betroffene Körperstelle, idealerweise auf die Brust oder um den Hals gemacht.
Zwiebeln (wenn die Nase verstopft ist und der Geruchssinn sich verabschiedet hat, zäher Husten mit Auswurf, Halsschmerzen) oder
Kartoffeln (Stressabbau, Muskelverspannungen, zäher Husten mit Auswurf) oder
Leinsamen (Kiefer- und Stirnhöhlenentzündung, Husten, Bronchitis, Schnupfen) oder
Zitronen (Husten, Bronchitis mit Schleim und Auswurf) oder
Thymian (Husten, Bronchitis, Erleichtert allgemein die Atmung)
Kalte Wickel und Kompressen bei Fieber oder Erkältungen
Wasser 1-5°C unter der Fiebertemperatur (Bsp. 39.5° Fieber -> ca. 35°C warmes Wasser) -> Wickel entfernen, sobald die Tücher wärmer werden. Hier sind Wadenwickel gut geeignet oder
Zitronenhalskompresse (Heiserkeit, Schluckschmerzen, Halsentzündung, Halsschmerzen
Warme bis heisse Wickel und Kompressen bei rheumatischen Beschwerden, Muskelschmerzen:
Heublumenwickel / -kompresse (allgemeine Gesundheitsförderung, Durchwärmung des Körpers, rheumatische Beschwerden) oder
Bockshornkleesamen gemahlen (chronische Gelenkbeschwerden)
Kalte Wickel und Kompressen bei schweren, schmerzenden Beinen und sonstigen Beschwerden und Verletzungen im Muskel-Skelett-System (die Haut darf nicht verletzt sein!):
Wallwurzwickel / -kompresse (Sportverletzungen, Verstauchungen, Prellungen, Bluterguss, Schwellungen, Sehnen- oder Knochenhautentzündungen) oder
Kohl (Gelenkentzündungen, Gelenkerguss, Rheuma, Arthrose, Arthritis, Gicht) oder
Arnikakompresse (Prellungen, Zerrungen, Verstauchungen, Gelenkentzündungen, Blutergüsse) oder
Lehmkompresse (Quetschungen, Prellungen, Verstauchungen, Gelenkentzündungen) oder
Salz (müde, schwere Beine, Ödeme als Folge einer venösen Schwäche, Gelenkentzündungen, Gicht, Verletzungen (die Haut darf nicht verletzt sein))
Warme bis heisse Wickel und Kompressen zur allgemeinen Stoffwechselanregung:
Schafgarben-Leberwickel (zur Entgiftung, bei Müdigkeit, Verdauungsschwäche, zur allg. Gesundheitsförderung, bei depressiver Verstimmung) oder
Kamillen-Kompresse (bei Stress, Unruhe, Verdauungsbeschwerden, Bauchkrämpfen, Blähungen, Menstruationskrämpfe und -schmerzen, Magen-Darm-Grippe mit Krämpfen)
Intensive Wickel und Kompressen, die für sensible Haut nicht geeignet, jedoch bei guter Verträglichkeit sehr wirkungsvoll sind:
Meerrettichkompresse (Stirn- und Kieferhöhlenentzündungen, Kopfschmerzen, festsitzender Schnupfen, Blasenentzündung)
Senfmehlkompresse (Stoffwechselaktivierend, Entgiftend (als Leberwickel), Bronchitis, Rheuma
Ingwerkompresse (Husten, Bronchitis, lokale Muskelverspannungen, Rheuma, Blasenentzündung)
Wickel werden generell nicht im Gesicht angewendet! Die Wirkstoffe sind oft zu stark und reizend für die Augen und Nasenschleimhäute. Dazu kann es Schwindel auslösen.
Wann besser keine Wickel / Kompressen anwenden?
Für alle Wickel- und Kompressenarten gilt für Nichtfachleute:
keine Anwendung bei Menschen mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit (sie können sich nicht mitteilen, wenn die Temperatur nicht stimmt)
Lähmungen
Sensibilitätsstörungen
alte Menschen
sehr geschwächte Menschen
Demenzerkrankungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Allergien auf die Wirkstoffe
unklare Beschwerden
Säuglinge, Kleinkinder
Schwangere Frauen
Menschen mit geistiger Beeinträchtigung
Zusätzlich zu den allgemeinen Kontraindikationen gilt: Wärme- und Hitzeanwendungen sind nicht angezeigt bei
akutem Fieber
Kreislaufbeschwerden
Bluthochdruck
Tritt während der Anwendung Unwohlsein auf, ist der Wickel / die Kompresse sofort zu entfernen!
Zu den allgemeinen Kontraindikationen gilt: Kälteanwendungen sind nicht angezeigt bei
Durchblutungsstörungen (z.B. Morbus Raynaud, periphere arterielle Verschlusskrankheit)
Frösteln und frieren (nie eine kalte Anwendung auf einen kalten Körper machen!)
Die Empfehlungen hier sind gedacht für den Hausgebrauch, für Laien. Wenn keine Wirkstoffe vorhanden sind, kann alleine mit warmem oder kaltem Wasser schon ein starker Effekt erzeugt werden.
Bei Fragen oder einer Anwendung in der Praxis bin ich für euch da. Warum nicht die nächste Massage mit einem Wickel ergänzen? ;-)

Quellen:
"Wickel und Kompressen" von Vreni Brumm, Madeleine Ducommun-Capponi, AT-Verlag, 2. Auflage 2013, ISBN 978-3-03800-580-3
Eigene Erfahrungen







